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Dietmar Polaczek
Weißes Dunkel Gebauter
Rhythmus im Raum: Fotoarbeiten von Gudrun Kemsa in Venedig
Venedig, im Juli
„"Hingerichtet" stand in den zwanziger Jahren groß auf schreienden Plakaten,
die Preise im Kaufhaus X..." Unter den vielen Biennale-Plakaten in Venedig
flällt eines auf, das erst bei genauerem Lesen kundtut, es handle sich
um eine Ausstellung außerhalb der Biennale: Gudrun Kemsa im Palazzo Albrizzi.
An einem stillen Kanal, wo selten Touristen hindinden, träumt der Palazzo
vor sich hin. Doch die dort behauste Deutsch-Italienische Kulturgesellschaft
ACIT unter der rührigen Leiterin Nivia Pizzul-Capello träumt nicht, ist
hellwach, und wenn sie träumt, dann wie viele Kulturinstitutionen den
Albtraum, dass - nach der Verschlankung auf das Existenzminimum - die
Subvention der Bundesrepublik (180 000 Mark) ganz ausblieben könnte. Das
(Miß-)Verhältnis zwischen bescheidener Finanzierung und enem umfangreichen,
dauch aus den Sprachkursen, von Mitgliedern und Sponsoren gestragenen
Veranstaltungsprogramm ist bereits jetzt evident.
Gegenwärtig laufen zwei Ausstellungen: „Der gefärbte Blick" richtet sich
auf zwei Deutend von Venedig angeregte Aurbeiten der vor zwei Jahren gegründeten
Gruppe 21:12; „Auf der Suche nach dem Licht" sieht der Betrachter die
Foto- und Videoarbeiten von Gudrun Kemsa. Die Gruppe 21:12 aus dem Umkreis
der Kunsthaochschule Saar besteht aus drei Künsltern und drei Künslterinnen
zwischen dreißig und vierzig, die von der Materialkunst eines Johanes
Fox bis zum Nioexpressionismus Uwe Loebens‘ recht verschiedene Positionen
einnehmen. Eine Gegenausstellung junger venezianischer Graphik ging nach
Saarbrücken.
Aus der fotografischen Bilderflut heben sich die rigorosen Arbeiten der
1961 geborenen Westfälin Gudrun Kemsa ab. Die gegenständlichen Bezüge
ihrer Architekurfotografien sind höchstens noch eine ferneer Klang in
ihren eigenen Konstruktionen, die mit ungewöhnlicher Blickrichtung zum
Himmel in den Gassen Venedigs oder Genuas und in den Ruinen Roms, mit
Farbverfremdungungen in einer Serie der Kolonnaden Berneinis oder mit
Umkehr ins Negativ den Betrachter vergessen lassen, auf welchem Weg die
kristallinen Gebilde entstanden sind. Eine andere Werkgruppe, bei der
die elektronische Verfremdung durch den Computer hinzu- und das Geometrische
noch mehr hervortritt, sind die Farbaufnahmen von Architekturrastern und
die Videos mit der minimalistischen Musik Markus Maidas. Der gebaute Rhythmus
im Raum, der Rhythmus von Ereignissen im Video, musikalischer Rhythmus
und Melodie der Farbe überlagern einander. Der ist spannender als manche
gefühlsbeladene Ausdruckskunst.
Lit.: Frankfurter Allgemeine
Zeitung 17.7.1999, Artikel zur Ausstellung im Palazzo Albrizzi, Venedig
vom 10.6. bis 9.9.1999
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